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Interview

“Das Gesundheitssystem hat sich radikal verändert”

Vor 25 Jahren haben Melanie Thamm und Frank Ziegenbein Lippe Reha gegründet. Es gab noch Kuren, die Krankenhausaufenthalte waren länger und die Krankenkassen haben viel bezahlt. Das Gesundheitssystem hat sich seitdem radikal verändert, so die Geschäftsführer der heute größten ambulanten Therapie- und Trainingseinrichtung in Lippe.

Das Gesundheitssystem hat sich radikal verändert, wissen Melanie Thamm und Frank Ziegenbein von Lippe Reha. „Früher haben Ärzte die Patienten geschickt. Der Gesetzgeber hat dies 2015 verboten. Die Adressaten für Gesundheitsdienstleistungen sind heute also in erster Linie die Patienten, nicht mehr die Ärzte“, so Melanie Thamm. Und wo früher fehlende Patienten das Problem waren, ist es heute der Personalmangel.

Gesundheitssystem im Wandel

Auch die Krankenhausverweildauer ist stark gesunken, von über 13 Tagen Anfang der neunziger Jahre auf 7 Tage im Jahr 2021. „Wo früher die Wundheilung und die ersten Übungen noch im Krankenhaus geschahen, kommen Patienten heute viel eher zu uns in die ambulante Therapie“, erklärt Frank Ziegenbein. Auch gibt es heute die klassischen Kuren nicht mehr, die mit der Gesundheitsreform im Jahr 2000 verschwanden. Fundamentale Änderungen im Gesundheitssystem. Gleichzeitig Startpunkt für viele ambulante Physiotherapiepraxen wie auch der Lippe Reha, die 1998 durch die Physiotherapeutin und den Sportlehrer in Bad Meinberg gegründet wurde.

Genauso radikal hat sich das Krankenkassensystem gewandelt. Vor 15 Jahren gab es noch rund 500 gesetzliche Krankenkassen, heute sind es noch 200. Viele Leistungen wurden von den Krankenkassen problemlos finanziert. „Das war bequem, hatte aber den Nachteil, dass viele Reha-Kurse am ersten Tag voll waren, sich aber schnell leerten. Die Kassen zahlten ja. Das hat die Therapeuten natürlich oft demotiviert. Heute zahlen die Kassen nur noch, wenn die Patienten auch regelmäßig zum Kurs kommen“, so Melanie Thamm.

Wie ticken die Patienten?

Die „Versicherungsmentalität“ hat stark abgenommen, betonen beide. „Früher kamen Patienten mit der Vorstellung, sie hätten ein Anrecht auf Heilung, und die müsste ausschließlich in den zwanzig Minuten auf der Reha-Liege pro Woche stattfinden. Heute wissen Patienten, dass es zu einer Besserung von Problemen stark auf die eigene Aktivität auch zwischen den Therapieterminen ankommt“, so Frank Ziegenbein. Dem entspricht der Ansatz von Lippe Reha, an jedem Therapiestandort auch immer eine Trainingsfläche zu haben, auf der die Patienten jederzeit trainieren können.

Viele Patienten gehen heute aus eigener Motivation zur Physiotherapie, ohne lange Wartezeiten beim Arzt. Dafür informieren sie sich vor allem über das Internet. Die Rolle der Physiotherapeuten hat sich also stark verändert: „Wo früher ein Abarbeiten der ärztlichen Aufträge an der Tagesordnung stand, sind heute viel mehr eine eigenständige Beratung und das persönliche Fachwissen der Therapeuten gefragt. Das führt natürlich auch zu einem starken Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Therapeut“, bemerkt Melanie Thamm. Trotzdem weisen beide auf die lange und vertrauensvolle interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den lippischen Ärzten hin, die ihnen stets wichtig war und ist.

Schließlich hat sich die Lebensweise gerade von älteren Menschen komplett gewandelt. Senioren wollen immer länger aktiv und fit sein, und gerade ältere Menschen spüren die positiven Auswirkungen auf den eigenen Körper sehr direkt und unmittelbar. Es gibt eine viel höhere Bereitschaft, etwas für sich zu tun, als dies vor 25 Jahren der Fall war.

25 Jahre Lippe Reha

Frank Ziegenbein und Melanie Thamm wurden in ihrer ersten Praxis am ehemaligen Standort der Bad Meinberger Klinik am Park oft von ihren Patienten gefragt, wo sie nach dem Ende einer verschriebenen Behandlung trainieren sollten. Daraus entwickelte sich die Idee der medizinischen Fitness, also des Trainings nach dem Ende der ambulanten Rehabilitation. Raum hatten die beiden ehemaligen Mitarbeitenden der Kurklinik nach deren Ende genug, also wurde eine Trainingsfläche eingerichtet.

Ein riesiger Erfolg. Das Konzept der kombinierten Reha- und Trainingsflächen hat Lippe Reha dann in allen Standorten umgesetzt. Dabei übernahmen sie Elemente aus dem Bodybuilding, ergänzten diese um medizinische Faktoren und bauten damit das Standbein der medizinischen Fitness auf. Rehasport-Gruppen kamen dazu.

In den letzten Jahren wurde die betriebliche Gesundheitsförderung wichtig. Immer mehr Unternehmen entdeckten: wenn wir unsere Mitarbeiter gesundheitlich fördern, dann tut das allen gut. Die Mitarbeiter fühlen sich wohl und werden weniger krank. Die Corona-Pandemie hat dem Konzept einige Jahre einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht, jedoch starten viele Unternehmen jetzt neu.

1998 begann Lippe Reha mit vier Gesellschaftern in Bad Meinberg, heute arbeiten rund 100 Mitarbeitende an den Standorten in Detmold, Lemgo, Bad Salzuflen und neu auch in der Kinderpraxis in Detmold-Heiligenkirchen. Am 30. April feiert Lippe Reha das 25. Jubiläum mit den Mitarbeitenden und Gästen im Detmolder Sommertheater.